Der Skoda ENYAQ war 2021 das dritterfolgreichste Elektroauto in der Schweiz. Dies ist eine respektable Leistung. ElektroautoCoach konnte den tschechischen Stromer testen und wir verraten euch, ob der 3. Podestplatz verdientermassen gewonnen wurde oder nicht.
Skoda brachte mit dem Citigo im 2011 ihren ersten elektrischen (Klein)wagen heraus. Danach blieb es für längere Zeit still im Hause Skoda, was neue Elektroautos betrifft. Sehr still. Bis die Volkswagen Gruppe im 2019 die modulare Elektroplattform MEB lancierte. Auf dieser basiert nämlich nicht nur der ID.3 und der ID.4 von VW, nein auch Skoda nahm dies zum Anlass, um mit dem ENYAQ iV ein Elektroauto vorzustellen, das aufgrund seiner Dimensionen im Vergleich zum Citigo in der Schweiz auf eine grössere Nachfrage treffen dürfte.
In der Schweiz ist der ENYAQ in drei Ausführungen resp. zwei verschiedenen Akkugrössen erhältlich: Der ENYAQ iV 60 mit einem Akku von 62 kWh (netto 58) und einer WLTP-Reichweite von 400 km sowie als ENYAQ iV 80 mit einer Batterie von 82 kWh brutto bzw. 77 kWh netto und einer WLTP-Reichweite von 520 km. Beide Modelle sind mit Heckantrieb ausgerüstet.
Die dritte Ausführung ist der iV 80X, ebenfalls mit der grösseren Batterie sowie mit Vierradantrieb und einer WLTP-Reichweite von 460 km.
Unser Testfahrzeug war ein ENYAQ iV 80 mit Hinterradantrieb mit der Innenausstattung "Lounge".
Dem aktuellen Zeitgeist entsprechend kommt auch der Skoda ENYAQ als Crossover daher, also eine Mischung zwischen SUV und hohem Kombi.
Gerade Kombis sind in der Schweiz ja sehr gefragt, was die seit Jahren ungebrochene Popularität des Skoda Octavias beweist. Die letzten paar Jahre war der Skoda Octavia jeweils das meistverkaufte Auto in der Schweiz. Mit dem Tesla Model 3 als meistverkauftem Auto 2021 ist nun das erste Mal ein Elektrofahrzeug an der Spitze der Neuzulassungen.
Bei den reinen Elektrofahrzeugen ist der Skoda ENYAQ im 2021 übrigens auf dem dritten Platz der Neuzulassungen 2021, hinter dem Tesla Model 3 und dem VW ID.3.
Mit seinen 4.65m ist der ENYAQ allerdings etwa 4 cm kürzer als der Octavia, aber durchaus vergleichbar mit anderen Elektroautos dieser Kategorie. So überragt der ENYAK den Polestar 2 um etwa 5 cm, ist gleichzeitig aber 10 cm kürzer als das Model Y von Tesla.
Vom Design her ist der ENYAQ klar als Skoda erkennbar und nur gewisse Details wie z.B. der geschlossene Kühlergrill sowie der fehlende Auspuff entlarven ihn als Stromer. Mit diesen Eigenschaften hat der ENYAQ zumindest designmässig die besten Voraussetzungen, beim breiten Schweizer Publikum zu landen.
Beim Platznehmen auf dem Fahrersitz fühlt man sich zu Beginn weg wohl im ENYAQ.
Die Platzverhältnisse in der ersten Reihe sind grosszügig, so dass jede Fahrerin ungeachtet der Körpergrösse eine für sie passende Sitz- und Lenkradposition finden dürfte.
Mittig auf dem Armaturenbrett thront das 13-Zoll Touchscreen. Der grösste Bildschirm übrigens, der bis anhin in einem Skoda verbaut wurde.
Während der Touchscreen durch die Grösse und die gute Auflösung gefällt, ist die Tacho-Anzeige mit ihren 5.3 Zoll hingegen eher mickrig ausgefallen.
Hier hätten wir uns einen grösseren Bildschirm gewünscht, der dann auch zusätzliche Infos wie z.B. Akkustand usw. anzeigen könnte.
Das Multifunktionslenkrad mit den verschiedenen haptischen Knöpfen funktioniert gut und gab bei uns keinerlei Anlass für Beanstandungen.
Die in grau gehaltenen Vordersitze sind bequem und bestehen in der "Lounge" Ausstattungslinie aus Microfaser Suedia sowie Leder, kombiniert mit gelben Kontrastnähten.
Die Sitze bieten auch einen gewissen Seitenhalt. Zwar nicht übermässig, aber das ist auch nicht nötig, schliesslich positioniert Skoda den ENYAQ auch nicht als sonderlich sportliches Fahrzeug.
Die im Innenraum verwendeten Materialien sind grösstenteils hochwertig, was auch für die unterschäumte Kunststoffe gilt. Gut gefallen haben uns die vielfältigen Ablagemöglichkeiten, sowohl in den Türen als auch in bzw. unter der Mittelkonsole.
Nicht ganz überzeugen vermochte uns die Bedienung des Touchscreens. Grottenschlecht ist sie zwar nicht, denn nach einer gewissen Angewöhnzeit konnten wir uns problemlos durch die Menüstruktur hangeln. Aber diese ist trotzdem nicht immer über alle Zweifel erhaben und reagiert zum Teil etwas träge.
Leider als unbrauchbar müssen wir die Routenplanung für die Langstrecke bezeichnen. Zwar schlägt das System einem entsprechende Ladestopps vor, wenn die Reichweite nicht ausreicht, um das gewünschte Ziel zu erreichen. In unserem Test hat der ENYAQ allerdings Lader mit einer Maximalleistung von 50 kW vorgeschlagen.
Wären wir noch im Jahr 2010, wäre daran auch nichts auszusetzen. Heutzutage gibt's aber Ladestationen mit einer Spitzenleistung von bis zu 350 kW, so dass niemand freiwillig auf die Idee kommt, auf der Langstrecke sein Auto an einem 50 kW Charger aufzuladen. Was auch fehlt ist die Angabe, mit welchem Akkustand die vorgeschlagene Ladestation voraussichtlich erreicht wird.
Beim Thema Software und Bedienung gibt's beim Skoda ENYAQ also definitiv noch Luft nach oben. Glücklicherweise kann dies heutzutage aber mit einem Update auch noch nachträglich verbessert werden kann.
Im Grossen und Ganzen ist der Innenraum des ENYAQ typisch Skoda-like und wir vermuten, dass sich Skoda auch bewusst für diesen Weg entschieden hat, um so Kundinnen, die vom Verbrenner zum Elektroauto wechseln möchten, nicht mit einem hypermodernen bzw. ungewohnten Interieur zu erschrecken.
Auch in der zweiten Reihe sitzt es sich bequem. Im Knie- und im Kopfbereich gibt's genügend Platzreserve und das optionale Schiebedach verleiht dem Innenraum einen hellen und falls gewünscht sogar sprichwörtlich luftigen Touch.
Der Kofferraum des ENYAQ fasst 585 Liter. Die Rücksitze lassen sich per Zug am entsprechenden Hebel im Kofferraum automatisch umklappen. Zwar sind die Rücksitze dann nicht ganz eben sondern in einem leichten Winkel nach oben, aber immerhin gibt's keine zusätzliche Kante.
Für Freunde des weissen Pulvers (also das unter den Füssen, nicht das unter der Nase, sie wissen schon…) gibt's mitten in der Rückbank eine Ski-Durchreiche.
Im umgeklappten Zustand fasst der Kofferraum 1'710 Litern. Das ist nicht schlecht, aber trotzdem knapp 200 Liter weniger als beispielsweise im Tesla Model Y.
Woher rührt dieser Unterschied? Der ENYAQ hat einen doppelten Boden, wo allerdings nur relativ flache Gegenstände Platz finden.
Da hat das Model Y beispielsweise eine deutlich grössere und tiefere Wanne.
Das Model Y Y hat auch einen vorderen Kofferraum (Frunk), der beim ENYAQ nicht vorhanden ist. Für eine reine, dedizierte Elektroplattform wie das MEB von Volkswagen ist das aus unserer Sicht eine verpasste Chance.
Positiv ist jedoch die maximale Zuladung von bis zu 600 kg, da haben wir schon weit tiefere Werte gesehen.
Wem das nicht reicht, der kann mit der optionalen Anhängekupplung nochmals bis zu 1'000 kg (gebremst) anhängen.
Die Dachreeling erlaubt auch die Nutzung eines entsprechenden Dachträgers. Gerade auf der Langstrecke empfiehlt sich jedoch, das Gepäck wenn immer möglich innerhalb des Autos unterzubringen, da sich aussen angebrachtes Gepäck negativ auf die Aerodynamik und damit die Reichweite auswirkt. Falls das aus Platzgründen nicht möglich ist, ist die Unterbringung am Heck (via Anhängekupplung) dem Gepäckträger auf dem Dach vorzuziehen, aus den vorhin genannten Gründen der Verbrauchsoptimierung.
Wenn wir dem Tschechen für dessen Fahrverhalten zwei Adjektive verleihen müssten, dann wären das "ruhig" und "gediegen".
Ruhig verrichtet er seinen Dienst. Durch die ausgezeichnete Dämmung und einen Cw-Wert von 0.26 können sich die Passagiere im ENYAQ auch bei Autobahngeschwindigkeit ruhig unterhalten, ohne gegen die Fahrgeräusche anbrüllen zu müssen. Wir haben das Geräuschniveau im Innenraum zwar nicht in dB gemessen, können aber auch so sagen, dass der ENYAQ definitiv zu den ruhigsten EVs gehört, die wir schon gefahren sind.
Gediegen ist vor allem die Federung. Diese erledigt ihren Dienst immer souverän und unaufgeregt, so dass sich allfällige Fahrbahnunebenheiten und Absätze nur noch schwach bei den Insassen bemerkbar machen. Wer es noch ein wenig komfortabler mag, der ordert die optionale adaptive Fahrwerksregelung (CHF 970).
Ein zusätzliche und v.a. auch günstigere Alternative, das Fahrerlebnis noch gediegener zu gestalten, ist die richtige Felgenwahl. Unser Testfahrzeug rollte auf den optionalen 21-Zoll Felgen "Betria" (CHF 1'380) und Pneus in den Dimensionen 235/50 (vorne) resp. 255/40 (hinten) daher.
Das mag zwar "sportlich" aussehen, macht aber aus unserer Sicht etwa gleichviel bzw. -wenig Sinn, wie wenn man an einem Kinderwagen spezielle Niederquerschnittsreifen montiert. Denn der ENYAQ, machen wir uns hier nichts vor, ist und bleibt ein Familienauto, keine Sportskanone. Daran ändern auch 21 Zöller nichts. Mit den standardmässigen 19 Zöller fährt der ENYAQ also nicht nur sparsamer und dadurch auch weiter, sondern eben auch nochmals komfortabler. Und eben günstiger, wenn die Reifen später mal ersetzt werden müssen.
Apropos Sportskanone, der Beschleunigungswert von 0-100 km/h in ca. 8.5 Sekunden ist für ein Familienwagen ganz ok. Untenrum zieht er relativ gut weg und durch den Hinterradantrieb gibt's auch keine störenden Lenkeinflüsse während der Beschleunigung.
Aber gerade so ab 80 km/h, also ausserorts oder auf der Autobahn, hätten wir uns noch ein wenig mehr Reserven gewünscht, so dass ein allfälliger Überholvorgang schneller und damit sicherer durchgeführt werden kann. Der permanentmagneterregte Synchronmotor im Heck liefert 204 PS bzw. 150 kW sowie ein Drehmoment von 310 Nm. Das ist zwar nicht schlecht, ist aber auch nötig, denn der ENYAQ wiegt je nach Ausstattung bis zu 2.3 Tonnen.
Wir sind zwar grundsätzlich Fans von Vierradantrieb, da gerade beim hohen Drehmoment eines (kräftigen) Elektromotors die Hinterräder in Sachen Traktion sonst bald mal die weisse Flagge hissen müssen. Obwohl der Hinterradantrieb des ENYAQ die Kraft des Motors mit genügend Traktion auf den Asphalt bringt.
Aber ein Auto mit Hinterradantrieb hat, nebst dem geringeren Verbrauch, noch einen weiteren Vorteil: der Wendekreis. Denn durch den Hinterradantrieb bzw. die fehlende Antriebswelle vorne glänzt der ENYAQ mit einem Wendekreis von lediglich 10.1m, was deutlich weniger ist als bei einem vergleichbar grossen 4x4 Fahrzeug. Das macht aus dem knapp 4.7m langen ENYAQ zwar noch keinen Stadtflitzer, kann aber je nach Situation trotzdem hilfreich sein.
Skoda verspricht für den iV80 mit dem grossen Akku und Hinterradantrieb eine WLTP-Reichweite von 520 km.
Während unseres Tests, wo wir den grössten Teil der Strecke ausserorts und auf der Autobahn zurücklegten, hatten wir einen Testverbrauch von etwa 19 kWh, was einer realistischen Reichweite von etwa 400 km entspricht.
Bei der Fahrt nur auf der Autobahn stieg der Verbrauch auf etwa 21 kWh, so dass wir von einer realistischen Reichweite auf Schweizer Autobahnen von etwa 360 km ausgehen.
Die Ladeklappe des ENYAQ befindet sich auf der rechten Fahrzeugseite, oberhalb des Hinterrads und dahinter verbirgt sich, wenig überraschend, ein CCS-Anschluss. So weit so gut.
Bei der Gleichstrom-Schnellladung unterwegs bietet der ENYAQ eine Ladeleistung von maximal 125 kW. Beim kleineren Akku des iV 60 sind's noch 120 kW. Diese hält er bis zu einem Akkustand (State-of-Charge bzw. SOC) von etwa 30%.
Danach geht's mit der Ladeleistung kontinuierlich runter und ab 70% SOC beträgt die Ladeleistung noch etwa 65 kW. Skoda gibt für das Nachladen unterwegs von 5-80% eine Ladedauer von 38 min an.
Ist diese Schnelllade-Leistung nun gut oder schlecht? Weder noch. Es ist irgendwo im Mittelfeld.
Gut ist, dass der ENYAQ selbst bei einem SOC von 70% noch mit 65 kW lädt, das ist nicht selbstverständlich. Was jedoch die maximale Ladeleistung von 125 kW betrifft, da gibt's andere Fahrzeuge wie z.B. das Tesla Model 3, welches mit bis zu 250 kW geladen werden kann.
Fairerweise muss dazu gesagt werden, dass eine solch hohe Ladeleistung nur bei einem tiefen SOC anliegt und danach relativ schnell runtergeregelt werden muss, um die Langlebigkeit des Akkus nicht zu beinträchtigen.
Aber eine solch hohe Ladeleistung ist trotzdem sehr interessant, da es ein sehr zügiges Nachladen im untersten Ladestands-Drittel des Akkus ermöglicht. So kann auf der Langstrecke während einer kurzen Pause von etwa 10 min. Reichweite für weitere zwei Stunden Autobahnfahrt geladen werden. Ein solcher "Splash-and-Dash" dauert mit dem ENYAQ aufgrund seiner Ladeleistung von "nur" 125 kW ein paar Minuten länger.
Ist der ENYAQ deshalb für die Langstrecke ungeeignet? Nicht unbedingt. Wenn Sie ein paar Mal pro Jahr eine grosse Distanz zurücklegen, z.B. für die Fahrt in den Urlaub, so ist das absolut kein Problem. Wenn Sie jedoch sehr häufig auf längeren Strecken unterwegs sind, welche die Reichweite des ENYAQ überschreiten, kommen Sie mit effizienteren bzw. schneller ladenden Elektroautos wie beispielsweise das Tesla Model 3 oder dem KIA EV6 sicher schneller ans Ziel.
Beim Wechselstromladen Zuhause hingegen gibt sich der ENYAQ keine Blösse und lädt standesgerecht dreiphasig mit 11 kW.
Der ENYAQ iV60 mit dem 60 kWh Akku und Hinterradantrieb startet ab CHF 43'810.00.
Für den iV80, ebenfalls mit Hinterradantrieb aber dem grösseren Akku mit 80 kWh werden CHF 48'810.00 fällig und für den 4x4 mit dem grossen Akku, den iV80x, verlangt Skoda einen Basispreis von CHF 51'460
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Der Preis ist also einigermassen erschwinglich, solange man bei der langen, aufpreispflichtigen Optionenliste nicht allzu fest über die Stränge schlägt.
Die Lieferfristen betragen aktuell zwischen 6-9 Monaten (ohne Gewähr).
Hier geht's zum ENYAQ-Konfigurator kann auf der Webseite von Skoda Schweiz.
Am Skoda ENYAQ hat uns vieles gut gefallen: Vom Innenraum mit genügend Platz für Mensch und Gepäck über das angenehme Fahrverhalten, die gute Schalldämmung und die vernünftige Reichweite.
Nicht so gut gefallen haben uns die Bedienung des Touchscreens sowie das Schnellladen auf der Langstrecke.
Sollten Sie also zur relativ selten Gattung des gemeinen Kilometerfressers gehören, werden Sie mit dem ENYAQ vermutlich nur bedingt glücklich.
Für alle anderen hingegen, insbesondere auch für Familien, ist der Skoda ENYAQ ein solides Elektroauto mit genügend Platz zu einem vernünftigen Preis.
Und so geht auch der 3. Platz bei den meistverkauften Elektroautos 2021 in der Schweiz absolut in Ordnung.