Das Tesla Model S gilt für viele als DAS Elektroauto schlechthin. Es bietet ausreichend Platz für fünf Erwachsene, NEFZ-Reichweiten von bis zu 630 km und atemberaubende Beschleunigungswerte. Aktuell kann kein anderer Hersteller etwas Vergleichbares bieten.
Nur wie so oft hat das Ganze einen kleinen Haken – der Spass ist nicht ganz günstig. Die einfachste Ausführung, das Model S 75 mit Hinterradantrieb, kostete ursprünglich etwa CHF 79'000.
Da nicht alle in der Lage oder willens sind, so viel Geld für ein Auto auszugeben, stellt sich deshalb die Frage, ob ein gebrauchtes Model S eine interessante Alternative wäre?
ElektroautoCoach hat sich auf dem Occasionsmarkt umgesehen und zeigt am Beispiel eines Model S 85 aus dem Jahre 2014 die Vor- und Nachteile gegenüber dem Kauf eines neuen Tesla.
Die naheliegendste Alternative zum Kauf eines gebrauchten Model S ist der Kauf eines gebrauchten Tesla Model 3. Die Limousine ist seit Frühling 2019 in der Schweiz erhältlich und schaffte es 2021 sogar auf den Platz 1 der meistverkauften Neufahrzeugen in der Schweiz.
Ein neues Model 3 kostet aktuell (Stand März 2022) CHF 46'000. Occasions-Modelle sind ab etwa CHF 37'000 verfügbar.
Das Model 3 ist ein wenig kleiner und bietet Personen und Gepäck ausreichend, aber natürlich nicht ganz so viel Platz wie ein Model S. Dafür ermöglichen die Model 3 einen DC-Ladestrom von bis zu 250 kW, also deutlich mehr als die gebrauchtenn Model S. Vielfahrer:innen, die regelmässig am Supercharger laden müssen, sparen also mit dem Model 3 einiges an Zeit an der Schnellladesäule.
Unseren Fahrbericht des ersten in der Schweiz zugelassenen Tesla Model 3 finden Sie hier. |
Die Produktion resp. Auslieferung des Model S begann in Amerika Mitte 2012. 2013 fanden dann die ersten Fahrzeuge ihren Weg über den grossen Teich nach Europa. Die populärsten Modelle zu dieser Zeit waren das Model S 85 mit 85 kWh Batterie sowie die stärkeren Performance Versionen P85 sowie P85+. Allen gemeinsam war der Hinterradantrieb. Der Allradantrieb, erkennbar an der "D" Bezeichnung hinter der Batteriegrösse, wurden erst im Oktober 2014 vorgestellt und war nicht vor Anfang 2015 in Europa erhältlich.
Auf dem Schweizer Occasionsmarkt stehen nun seit einigen Monaten nebst den neueren "D" Allrad-Modellen auch diverse Fahrzeuge mit Hinterradantrieb zum Verkauf.
Das von uns gefahrene Model S 85 in der Red Multi-Coat-Lackierung wurde Mitte 2014 eingelöst und hat nun etwas über 50'000 km auf dem Tacho. Weitere Optionen sind die schwarzen Ledersitze, Tech-Paket, Panorama-Schiebedach und Dekor Abachi matt.
Der erste, von weit her sichtbare Unterschied ist die sogenannte Nose Cone. Das Model S wurde ursprünglich mit einem schwarzen Pseudo-Kühlergrill versehen, ehe es dann im April 2016 einem Facelift unterzogen wurde und seither die gleiche Frontpartie wie das Model X aufweist.
Schaut man ein wenig genauer hin, fällt auch auf, dass dem Fahrzeug sowohl Radar wie auch Frontkamera fehlen. Diese sind Teil des Autopilots (Version 1), welcher erst Ende 2014, zusammen mit der Lancierung des D-Antriebs, vorgestellt wurde. Die meisten dieser hinterradgetriebenen Occasions-Model S haben demzufolge keinen Autopilot, die Kombination Hinterradantrieb und Autopilot wurde in der Schweiz ziemlich selten bestellt. Entsprechende Fahrzeuge sind deshalb entsprechend rar.
Nebst Unterschieden in der allgemeinen Verarbeitung betrifft die augenscheinlichste Differenz im Fahrzeuginnern sicherlich die Sitze sowie die Mittelkonsole. Die elektrisch verstellbaren Ledersitze von damals sind nicht schlecht, jedoch bieten sie weniger Seitenhalt als die neueren Ausführungen.
Mit dem Facelift im 2016 bekam das Model S eine "richtige" Mittelkonsole mit verschiedenen Fächern, Getränkehaltern usw. Bei den klassischen Fahrzeugen hingegen besteht die Mittelkonsole aus einer durchgängigen, gegen oben offenen Ablagefläche.
Sowohl was die Sitze als auch die Mittelkonsole betrifft, gibt es unter den Tesla-Fahrern keinen klaren Konsens. Viele, aber längst nicht alle, empfinden die neuen Sitze als besser, während es auch bei der Mittelkonsole viele gibt, die das offene Layout der klassischen Version bevorzugen.
Ein im wahrsten Sinne des Wortes grossen Unterschied bemerkt man beim Öffnen der Motorhaube. Dort befindet sich ja bei allen Tesla Fahrzeugen der vordere Kofferraum. Bei diesem klassischen Modell fällt er hingegen bedeutend grösser aus als bei den aktuellen Fahrzeugen, was gerade für Leute mit extra-viel Reisegepäck interessant sein könnte. Obwohl, und das sei hier auch noch deutlich angemerkt, sich auch das Model S mit kleinerem vorderen Kofferraum in Sachen Gepäckraum überhaupt nicht zu verstecken braucht, ganz im Gegenteil.
Das Tesla Model S 85 fühlt sich beim Fahren sehr ähnlich an wie die aktuellen D-Modelle. Durch den fehlenden Frontmotor ist dieses Fahrzeug sogar noch ein wenig leiser. Tritt man voll aufs Gaspedal, merkt man jedoch bei nasser oder schneebedeckter Fahrbahn, wie die Traktionskontrolle eingreift. Hier ist man mit einem D-Modell sicher im Vorteil.
Trotzdem ist es so, dass ein Tesla mit Hinterradantrieb zum Beispiel im Schnee wesentlich bessere Traktion aufweist als ein Verbrenner mit Hinterradantrieb. Der Grund dafür ist relativ einfach: Durch die mittig im Fahrzeugboden angeordnete Batterie hat der Tesla eine ideale Gewichtsverteilung von ziemlich genau 50:50. Zudem ist der Schwerpunkt so tief, dass man auch mit einem "nur" an der Hinterachse angetriebenen Tesla bei winterlichen Verhältnissen überraschend gut und sicher unterwegs ist.
Auch wenn sie von den Beschleunigungszeiten her nicht ganz an die aktuellen Modelle rankommen, so sind diese klassischen 2WD Modelle unserer Meinung nach selbst im 4WD-Land Schweiz eine durchaus passable Lösung, mit denen man auch im Winter nicht vor Ausflügen in die Berge zurückschrecken muss.
Was natürlich auch fehlt ist der Autopilot. Das Assistenzsystem ermöglicht teilautonomes Reisen unter der Aufsicht des Fahrers. Gerade wenn jemand häufig und lange Strecken Autobahn fährt, ist der Autopilot ein wirklich tolles Komfort- und Sicherheitsmerkmal. Wenn man's mal gehabt hat, möchte man's nicht mehr missen.
Ist jemand deshalb hauptsächlich auf Autobahn und über längere Stecken unterwegs, so sollte man sich gut überlegen, ob man auf den Autopiloten verzichten will.
Fährt jemand allerdings vorwiegend in der Stadt und Überland, so ist man mit einem 2014er Fahrzeug sehr gut bedient, auch wenn dieses nicht alle Komfortmerkmale der neuen Generation aufweist.
Tesla hat die Fertigungsqualität des Model S in den letzten 4-5 Jahren fortlaufend gesteigert. So gibt es durchaus Unterschiede zwischen einem ganz neuen Model S und einem, das im 2014 gebaut wurde.
Die wichtigsten Komponenten jedoch, der Motor, Antriebsstrang und die Batterie, sind alle seit Beginn weg auf Langlebigkeit ausgelegt und haben zudem eine Garantie von 4 Jahren bzw. 80'000 KM.
Sollten also noch irgendwelche Mängel auftreten, die bisher noch nicht entdeckt worden sind, so hat man bei einem 2014er Modell noch etwa 1 Jahr Zeit, diese auf Garantie und ohne Kostenfolgen beheben zu lassen.
Die aktuell (Stand März 2022) zum Verkauf stehenden Model S 85 gibt's zu Preisen von ca. CHF 30'000 - CHF 70'000.
Da sich die aktuellen Ausstattungsvarianten und –optionen nicht mehr 1:1 mit den damaligen Konfigurationen vergleichen lassen, ist ein direkter Preisvergleich nicht ganz einfach.
Die aktuellste Ausführung des neuen Model S ist zur Zeit (März 2022) in der Schweiz noch nicht verfügbar. Tesla gibt eine Lieferung ab August 2022 an. Bestellbar ist es zwar schon, wie der nebenstehende Screenshot zeigt, aber die Preise für die Schweiz sind noch nicht festgelegt.
Aufgrund der Preise in den USA, wo die Auslieferungen schon begonnen haben, gehen wir von einem Basispreis von mindestens CHF 95'000.00 aus.
Die Gebrauchtwagen von Tesla sind ziemlich wertstabil. So sind selbst 8 jährige Modelle wie unser Testfahrzeug nur ganz vereinzelt unter CHF 30'000 zu haben. Dass gebrauchte Elektroautos nach dieser Zeit immer noch zu solchen Preisen verkauft werden, hätte wohl vor einigen Jahren kaum jemand für möglich gehalten.
Tatsache ist aber, dass es sich beim Tesla Model S um ein Fahrzeug handelt, das in Sachen Laufleistung die meisten Verbrenner überrunden dürfte. Erfahrungen aus den USA zeigen, dass die Tesla-Batterien selbst nach 200'000 KM immer noch 90 % ihrer ursprünglichen Kapazität aufweisen.
Auch der Motor und der Antriebsstrang sind aufgrund ihrer Einfachheit und der geringen Anzahl an beweglichen Teilen viel langlebiger als bei einem Verbrenner.
Weitere Pluspunkte sind die geringen Wartungskosten sowie die unbegrenzte Supercharger-Nutzung, die bei den klassischen Model S noch im Fahrzeugpreis mit inbegriffen war.
Wer also ohne die neusten Features wie den Autopiloten, die aktuellen Sitze usw. leben kann, der kann mit einem gebrauchten Model S richtig viel Geld sparen.